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Jon Ramadani

Perspektive?

Metalheads werden meistens als ungepflegte, langhaarige, Krachliebhaber oder schlichtweg als Aussenseiter der Gesellschaft gesehen. Die Zürcher Metalszene hat sich über die Jahre zu einer pulsierenden, lebendigen und vielfältigen Gemeinschaft gewandelt. Mit einer Fülle von talentierten Bands, engagierten Fans und einzigartigen Veranstaltungsorten hat sich die Stadt regelrecht zu einem Hotspot für Metalheads in der Schweiz entwickelt.

Ramadani Jon Titelbild
PROJEKTINFOS
Team:
Jon Ramadani
Semester (Modul):
1. Modul
Fachbereich:
Content Creation & Online Marketing
Mitwirkende:
Jon Ramadani

Laute Gitarren, Bierfahne und miese Blicke. Die meisten würden die Metalszene wohl genauseo beschreiben.

Das Rumgeschrei kann sich keiner geben. Oder doch?

Vorwort

Seit ein paar Jahren bin ich über meinen Musikgeschmack in eine ganz bestimmte Szene in Zürich gestolpert, die für mich einiges bedeutet. Der Text soll ein bisschen Einblick und Perspektive in die, etwas verborgen gehaltene, Metal Szene in Zürich bringen und einige Klischees widerlegen.

HInter der Fassade

Metalheads werden meist als ungepflegte, langhaarige, Krach-liebhaber oder schlichtweg als Aussenseiter der Gesellschaft gesehen.

Die Zürcher Metalszene ist allerdings nicht zu unterschätzen. Sie hat sich über die Jahre zu einer pulsierenden, lebendigen und vielfältigen Gemeinschaft gewandelt. Mit einer Fülle von talentierten Bands, engagierten Fans und einzigartigen Veranstaltungsorten hat sich die Umgebung regelrecht zu einem Hotspot für Metalheads in der Schweiz entwickelt. In diesem Text widmen wir uns der Geschichte, den aktuellen Bands und allem Drumherum.

Erstmal vorweg, Metal heisst nicht gleich Metal.
Es gibt extrem viele verschiedene Unterkategorien, die auch Einflüsse aus verschiedenen anderen Genres der Musik nehmen. Die meist vertretenen Genres in Zürich sind: Thrash Metal, Death Metal, Black Metal. Durch weltweite alternative Trends entstanden auch in Zürich zeitgleich Vertreter dieser Musikrichtungen. Wobei nicht alle Bands in eine Schublade gesteckt werden können, oder wollen.

Untergrund & Untergenres

Thrash Metal entstand in den 80er Jahren in den USA aus einer Fusion von Hardcore Punkrock (Bands wie «Black Flag» oder «Dead Kennedys») und «New Wave of British Heavy Metal» (Bands wie «Iron Maiden» oder «Motörhead»). Thrash – das englische Wort für Prügeln – bezeichnet die rohe Gewalt, mit der man bei einem Thrash Metal Auftritt konfrontiert wird. Mit Gitarren, die wie aufheulende Kettensägen klingen und begleitet sind von rasend schnellem Schlagzeug, machte sich Thrash Metal auch in Zürich sehr schnell beliebt. «Coroner» bestritt in den 80er Jahren viele Auftritte in der Schweiz und gewann damit auch internationale Bekanntheit, anfangs als Vorband und später auch als Hauptband. Die adrenalingleladen und aggressiven Auftritte der 80er machten Thrash Metal zu einem der legendärsten und einflussreichsten Genres.

Weiterhin gibt es den Black Metal, ein Genre so kalt und dunkel wie die nordischen Wälder, wo die Musikrichtung auch in den 80ern herkam. Mindestens genauso finster wie die Bands im hohen Norden spielten die Bands «Celtic Frost» und «Hellhammer» aus Zürich. Fieses und teuflisches Gekrächze, oft mit Texten über Okkultismus und Satanismus, dazu ein unmenschlich schnelles Gehämmer vom Schlagzeuger, verfolgt von unheiligen Gitarrenriffs, macht Black Metal zu einer der schaurigsten Musikrichtungen im Metal. Und das nicht nur akustisch – auch live wird mit Gesichtsbemalung in Schwarz-Weiss («Corpse-paint») und anderem Zubehör wie umgedrehte Kreuze, Tierkadaver, Nebelmaschinen, Ketten, mittelalterliche Waffen, Spikes, Blut und Knochen für die richtige Atmosphäre gesorgt. «Celtic Frost» und «Hellhammer» geniessen heute immer noch Kultstatus, sogar internationale Metal-Giganten wie «Metallica» coverten einen ihrer Songs. Auch wenn Tom Warrior (Frontman Celtic Frost) selbst nicht so freude an dem Kommerz Cover hatte.

Neben den genannten Genres gibt es den Death Metal. Bis auf die kurzweiligen Bands wie «Sickening Gore», «Infected», «Amon» und «Babylon Sad», die sich in den 90ern im Zürcher Untergrund kläglich zurechtfinden wollten, gab es in der Vergangenheit keine Bands, die den anderen Giganten im Legendenstatus nur ansatzweise das Wasser reichen konnten. Death Metal entstand ursprünglich, wie Thrash Metal, in den USA. Bands mit mehr Potenzial erwiesen sich jedoch erst spät. «Bölzer», das Metal Duo, war die erste Zürcher Band in diesem Genre, die es schaffte, auch internationalen Erfolg zu gewinnen. Ein Dauergeprügel vom Schlagzeug, komplizierte, donnernde Gitarrenriffs, ein tiefes Grollen und Knurren vom Vokalisten definieren Death Metal hervorragend.

Eine der prägendsten Eigenschaften der aktuellen Zürcher Metalszene ist die grosse Anzahl leidenschaftlicher und vielseitiger Bands. Die bisher genannten Bands bahnten zuerst den Weg frei für die Szene, die heute existiert. Von klassischem Heavy Metal bis hin zu extremen Untergenres wie Death Metal, Thrash Metal oder Black Metal und weiteren gibt es eine Band für jeden Geschmack. Die lokale Szene ist auch bekannt für ihre Unterstützung von etablierten Bands wie «Comaniac», «MABON» und «Bölzer» sowie aufstrebenden Bands wie «XONOR», «Heathen Heretic» und «Sons of Coherence» und bietet ihnen Möglichkeiten, auf verschiedenen Bühnen aufzutreten und ihre Musik einem noch breiteren Publikum nahezubringen.

People & Places

Ein weiterer grosser und sehr wichtiger Bestandteil der Zürcher Heavy Metal Szene sind die Fans. Zürcher Metalheads sind leidenschaftlich und treu. Sie unterstützen ihre Lieblingsbands bei Konzerten und Festivals mit grosser Hingabe. Die Leute der Metalszene sind eng miteinander verbunden und bieten eine einladende Umgebung für neue Mitglieder, die sich der Szene anschliessen möchten.

Zürich bietet eine Reihe einzigartiger Veranstaltungsorte, die speziell auf die Bedürfnisse der Metalszene zugeschnitten sind. Kleine Clubs wie das «Dynamo», der «Komplex 457» und das «Gaswerk!» in Winterthur bieten regelmässig Konzerte und Festivals mit nationalen und internationalen Metalbands an. Diese Veranstaltungsorte bieten meistens erstklassige Soundqualität und eine einzigartige Atmosphäre. Bei den Auftritten in diesen kleinen Clubs spürt man das Beben der Drums und der Gitarrensound schiesst einem förmlich in die Ohren. Ein Gemisch aus Schweiss, Blut und Bier kommt hier zusammen, die Luft so feucht, dass man kaum noch Nebelmaschinen benötigt. Zynisches Geschrei vom Frontman oder Geräusche, die an das Krümelmonster von der Sesamstrasse erinnern, sind an der Tagesordnung.

Von herkömmlichen Konzerten wie im Letzigrund oder im Hallenstadion ist man gewohnt, dass alles sicher und abgesperrt ist, nicht aber beim Metal des Zürcher Untergrunds. Leute springen durch die Gegend, was auch «stage diving» genannt wird, und bei erfolgreicher Landung auf den Köpfen der Zuschauer, die meist wie wild im «Moshpit» im Kreis umherspringen, übergeht es ins «crowdsurfing». Nach einigen blauen Flecken, blutenden Nasen und sich ankündigenden Nackenschmerzen vom Headbangen ist das schwitzige Spektakel dann auch schon vorbei. Die scheinbare Furore und Aggressivität der Fans bei einer Show wird von Aussenstehenden anders wahrgenommen als eigentlich innerlich verspürt wird. Im Gegenteil, Leute beschreiben es als eine Art Rückzugsort. Ein Zitat eines Zürcher Metalheads in der Szene bei einer Umfrage beschrieb das Gefühl bei einer Show besonders gut: «Euphorische Ekstase mit einer Prise Brutalität» (übersetzt). Andere beschrieben den Rausch von Adrenalin, Glücksgefühlen und die Energie, die sie verspüren. Viele beschrieben auch, wie inspirierend es für sie sei, wie sehr es ihre Denkweise beeinflusse, dass es sie in schweren Zeiten unterstütze und wie es ihnen neue Beziehungen mit Menschen ermöglicht habe, die sie auf anderem Weg wahrscheinlich nie kennengelernt hätten.

Neben den Auftritten, bei denen man sich begegnet, gibt es in Zürich auch regelmässige «Metal-Nights» an verschiedenen Standorten. Auch ein bekannter und beliebter Treffpunkt ist unter anderem die «Ebrietas» Bar im Herzen des Zürcher Niederdorfs, wo oft Kellerkonzerte organisiert werden. Musik und eine vielfältige Auswahl an Spirituosen gibt es dort bis 2 Uhr nachts. Wer nicht genug vom Headbangen hat, dem wird auch da der letzte Wunsch erfüllt.

Die Metalszene in Zürich beschränkt sich aber nicht nur auf lokale Bands, Bars und Veranstaltungen, sondern zieht auch internationale Metal-Acts an. Die Stadt ist ein beliebtes Ziel für viele Metalbands auf Tournee und hat bereits einige der grössten Namen der Szene angezogen. Von kleinen Auftritten bis hin zu grossen Open-Air-Festivals wie dem «Meh Suff!» oder dem Indoor Extreme Death Metal Festival «Züri Gmätzlets» bietet Zürich eine breite Palette von Möglichkeiten, um Live-Metal-Musik in ihrer ganzen Pracht zu erleben.

Die Metalheads in Zürich tauschen sich nicht nur auf Live-Konzerten, sondern auch online miteinander aus. Es gibt Instagram-Accounts, WhatsApp-Gruppen und Metal- Magazine wie «Metalhammer», die die Fans über aktuelle Neuigkeiten, Konzerte und Veröffentlichungen informieren. Natürlich muss man auch ein bisschen nach den Neuigkeiten suchen, da nicht alles offensichtlich und weit verbreitet ist.

musik & KRimskrams

Wenn die Tonträger nicht schon nach dem Konzert am Merch-Stand gekauft werden, gibt es dazu eine Alternative. Zürich beheimatet nämlich eine lebendige Vinyl-Szene mit einer Vielzahl spezialisierter Plattengeschäfte, die auch für Metalheads ansprechend sind. In Winterthur, Töss, auf dem ehemaligen Sulzer Areal gibt es den «Ventilator Records», der neben Vinyl,

CDs und Kassetten auch einiges an Zubehör und Second-Hand-Kram verkauft. Darunter Plattenspieler, Kassettenradios, alte VHS- Bänder, Anstecker mit Bandmotiven, Aufnäher, Sticker, alte Actionfiguren, Gitarren, Gitarrenverstärker und vieles mehr. In Zürich, in der Strassburgstrasse 10, versteckt unter einem Comicladen, befindet sich das «Berggeflüster», das sich in erster Linie auf Black Metal spezialisiert hat, was sich auch in der Atmosphäre des Ladens widerspiegelt. Im düsteren Eck findet man die seltensten und obskursten Platten und Kassetten, die es in Zürich zu finden gibt. Dazu gibt es auch noch eine kleine Vintage-T-Shirt-Ecke mit originalen Tour-Shirts aus vergangenen Zeiten. Im «Zero Zero», in der Bäckerstrasse 54, findet man auch das ein oder andere Metal-Juwel. Sogar im Blutt-Records am Limmatplatz, das ein sehr breites Spektrum an Musikrichtungen auf verschiedenen Medien besitzt, rutscht hin und wieder eine extrem seltene «Celtic Frost»-Scheibe über den Tresen.

Diese genannten Geschäfte bieten eine grosse Auswahl an seltenen und meist auch teuren Sammlerstücken, die die verschiedenen Subgenres des Metals abdecken. Von klassischen internationalen Alben bis hin zu Underground-Legenden finden Metalheads eine umfangreiche Auswahl an Platten für ihre Sammlungen. Das Personal in diesen Läden ist leidenschaftlich für Metal und bietet interessante Empfehlungen, Einblicke und die ein oder andere Erlebnisgeschichte.

SCHLUSSWORT

Oft wird die Frage gestellt: «Wer hört das noch?» oder «Gibt es das überhaupt noch live?». Die Antworten darauf findet man kaum, wenn man nicht hartnäckig danach sucht. Denn genau das ist der Grund, wieso die meisten nichts davon wissen: Die meisten halten keine Ausschau danach, auch wenn sie die Musikrichtung an sich nicht schlecht finden. Andere Genres sind beliebter, grösser und zugänglicher als die Metalszene. Die Zürcher Metalszene ist nicht die grösste, ganz zu schweigen vom Vergleich mit Musikrichtungen wie Techno oder Rap in Zürich, dafür aber sehr vernetzt. Kaum findet man sie, ist man schon mittendrin. Wenn man die Szene finden möchte und wirklich ein Teil sein will, braucht es mehr als nur Interesse, es braucht Leidenschaft.

Persönlich habe ich mit diesem kleinen Beitrag probiert die Szene so gut wie möglich für Jemand aussenstehenden kurz und knapp zu beschreiben ohne den Rahmen meiner Vorgaben im Studium zu sprengen. Ausserdem ein grosses Danke an alle Säufer, Schreier, Plattendealer & Krachmacher!

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