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Larissa Graf

Pflege im Wandel

Was treibt Menschen dazu, in einem Beruf zu arbeiten, der körperlich und emotional anstrengend ist? 
Zwei Geschichten zeigen, warum viele Pflegekräfte trotz Herausforderungen bleiben und warum andere den Beruf verlassen. Ein Blick hinter die Kulissen der Pflege und die dringend notwendigen Veränderungen, die sich daraus ergeben. 

Graflarissa beitragsbild

Pflege zwischen Hingabe und Verzweiflung

«Mehr Lohn, mehr Ferien, mehr Rücksicht auf Pausen und mehr Personal». Diese Worte von Elena fassen die zentralen Herausforderungen im Pflegeberuf zusammen. Während sie aufgrund der Belastungen ausstieg, blieb Daniel trotz ähnlicher Schwierigkeiten im Beruf.  Warum wählen viele diesen Weg - und warum geben andere auf? Zwei Interviews geben Aufschluss darüber. Die vollständigen Gespräche sind im Anhang zu finden.


Pflegeberuf: Mehr als nur ein Job

Der Pflegeberuf umfasst alle Massnahmen zur Unterstützung, Erhaltung und Wiederherstellung der psychischen und physischen Gesundheit sowie das Wohlbefinden
der Pflegebedürftigen. (GDA, 2024)


Pflegepersonal im Einsatz

In dem Bundesamt der Statistik der Schweiz zeigt sich die Anzahl der Pflegekräfte. (BFS, 2024)

Im Jahr 2023 arbeiteten in der Schweiz insgesamt 160`597 Menschen im Pflegebereich. Diese Fachkräfte verteilen sich auf drei unterschiedliche Berufsfelder

BerufAnzahl Personen
Diplomierte Pflegefachperson74`754
Pflegepersonal auf mittlerer Stufe41`633
Pflegehelfer:innen44`754

Vom Automechaniker zum Pfleger und Stationsleiter

Medikamente richten

Vor zwanzig Jahren tauschte Daniel
Mülhaupt den Ölgeruch der Werkstatt
gegen den Duft von Desinfektionsmittel. 

Nach seiner Entlassung in der Automobilbranche absolvierte der ehemalige Automechaniker seinen Zivildienst.
Dort entdeckte er, wie dankbar Menschen für Unterstützung sind und entschied
sich diesen Weg weiterzugehen. Eine Entscheidung, die er nie bereut hat.

Herausforderungen, wie der Umgang
mit Intimität, waren anfangs ungewohnt. Die Dankbarkeit der Bewohner:innen hielt ihn jedoch auf Kurs. 

Deutschland vs. Schweiz: Zwei Welten in der Pflege

Die ersten elf Jahre arbeitete der Pflegeprofi in Deutschland, bevor er in die Schweiz wechselte. Ihm sind dabei Unterschiede aufgefallen.

UnterschiedeDeutschlandSchweiz
ZeitdruckMinutengenaue ArbeitMehr Zeit für die Bewohner:innen und Bedrüfnisse
Dienstzeiten12-Tage-Dienste4-Tage-Dienst bei 80
Prozent Pensum
RessourcenWenig RessourcenMehr Ressourcen für
Aktivitäten
FleixibilitätSpezialisierung auf einen BereichEinsatz in verschiedenen Bereichen.

Pflege mit Herz

Der Stationsleiter empfindet grosse Freude, wenn sich Bewohner:innen nach der Pflege bedanken. Diese Anerkennung bedeutet Daniel viel. Dennoch gibt es Herausforderungen, wie der Druck von Angehörigen. Eine weitere Schwierigkeit beschreibt er so: «Dass man immer alles recht machen will, was nicht immer geht.»

Seine Leidenschaft, Menschen zu helfen, motiviert ihn langfristig. Er fühlt sich in seinem Beruf geschätzt und sagt: «Ich finde, dass ich zu 100 Prozent den richtigen Weg gewählt habe, weil ich gute Arbeit leiste mit den Bewohnern und ihnen einen guten Abschluss bieten kann».

Um seine Belastbarkeit auszugleichen, fährt  er regelmässig Mountainbike. Im Altersheim arbeitet man derzeit an einer Dienstzeitenoptimierung. Ziel ist es dabei geteilte Dienste abzuschaffen und die Belastung im Team zu reduzieren. 

Die Einrichtung unterstützt das Personal mit externen Coaches und 

Erholungsmöglichkeiten wie vergünstigte Eintritte ins Thermalbad, eine kostenlose Massage pro Jahr oder Rabatte für Physiotherapieangebote. 

Dankeskarte
Umarmung

Entwicklung des Pflegeberufs


Im Moment sieht der Interviewpartner eine kritische Entwicklung im Pflegeberuf, weil kaum noch Menschen diesen Weg einschlagen wollen. Er fordert bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen, um die Wertschätzung des Berufs zu steigern.

Heldenpose

Die Digitalisierung könnte helfen den Arbeitsaufwand zu reduzieren, wobei Roboter Pflegekräfte
nicht ersetzen können. Das Altersheim in dem er arbeitet, testet derzeit ein neues Dokumentationssystem. Dabei werden Sprachnotizen direkt in den Computer übertragen. Diese Anwendung spart täglich 1,5 Stunden und schafft mehr Zeit für die Bewohner:innen. 

Er betont, dass man immer gut gelaunt sein muss. Wichtig sei es aber, dass alle miteinander zusammenarbeiten. 

Sein Schlusswort lautete:

Alle, die diesen Beruf machen, sind wahre Helden


Zentrale Argumente, um im Pflegeberuf zu bleiben


Laut der Webseite HumanCare24 ist der Beruf abwechslungsreich, verantwortungsvoll und herausfordernd. Besonders in der ambulanten Pflege ist Selbständigkeit wesentlich. Man lernt die Lebensgeschichten der Patienten kennen. Daraus kann man viel für das eigene Leben lernen. Die Dankbarkeit ist gross und die Arbeit in der Pflege ist bedeutungsvoll und unverzichtbar. 


Vom Pflegebett zum Bildschirm: Elenas Neuanfang

Elena Rudolf ist 19 Jahre alt und
entschied sich ihre Pflegeausbildung abzubrechen. Daraufhin startete sie im August 2024 eine neue Ausbildung in der Mediamatik. 

Die junge Frau begann ihre Pflegeausbildung im Altersheim. Nach 1,5 Jahren brach sie die Ausbildung
jedoch ab. Der Grund war nicht ein einzelner Vorfall, sondern die allgemeine Überlastung. Häufig musste mehr Pflege geleistet werden, als die Vorschriften zuliessen. Zudem fühlte sie sich unzureichend auf die Realität des Berufes vorbereitet.
Ein Beispiel ist die Fähigkeit, sich nach dem Tod eines Bewohners oder einer Bewohnerin emotional abzugrenzen. 


Der Wechsel in die Mediamatik war eine Chance, die sie ergriff. Schon in der Oberstufe hatte sie sich für diesen Beruf interessiert.

Stethoskop


Belastung und Ausstieg

Die Belastungen, sowohl physisch als auch psychisch, waren enorm. Ein Burnout mit 16 Jahren war der Auslöser für ihren Ausstieg. «Ich hatte immerPanik, wenn ich daran gedacht habe», sagt Elena über die Vorstellung in den Beruf zurückzugehen. Neben der psychischen Belastung litt sie auch unter Rücken- undKopfschmerzen. Ihre Gesundheit war jedoch kaum eine Priorität. Den Pfleger:innen war es nur wichtig, dass die Arbeit erledigt ist. Der Personalmangel
verschärfte die Situation zusätzlich. Oft waren nur zwei Mitarbeiter:innen für
dreissig Bewohner:innen zuständig. Sie musste dabei fast alle Bewohner:innen
bereits am Morgen fertig pflegen.

Stresssituation

Die wichtigsten Gründe für den
Ausstieg waren die permanente Stressbelastung und die emotionale Herausforderung. «Man hat keine Pausen, es heisst immer nur ‘schaffe, schaffe, schaffe‘…» sagt sie. Zeit für
eine Mahlzeit blieb nie. 

Ihr Ausstieg war ein schleichender Prozess. Er begann mit Depressionen und endete mit einem Burnout.
Ein Rückkehrgedanke kam auf. Doch sie merkte schnell, dass dies nicht mehr möglich war. «Schon wenn ich jetzt wieder daran denke, kommt das Gefühl von Einengung wieder», reflektierte sie im Gespräch. 


Elenas Perspektive

Im Rückblick bedauerte sie, nicht häufiger «Nein» gesagt zu haben. «Wenn man mehr verdienen würde, denke ich würden Pflegekräfte die Belastungen eventuell noch
aushalten», überlegt sie. Für Elena ist es wichtig, die Arbeitsbelastung zu reduzieren. So könnte man den Beruf langfristig attraktiv halten.

Trotz einer gestiegenen Anerkennung des Pflegeberufs sieht sie noch immer grossen Veränderungsbedarf: «Nichts für Menschen mit schwachen Nerven», meint die
ehemalige Pflegeschülerin. Aufgrund eigener Erfahrung würde sie anderen nicht empfehlen den Beruf zu wählen. 


Der Neuanfang in der Mediamatik 


Die auszubildene Mediamatikerin beschreibt ihre neue Tätigkeit in der Mediamatik als positive Veränderung. Sie fühlt sich ausgeglichener und hat mehr Lebensfreude. Der Wechsel war die richtige Entscheidung.


Ursachen für den Ausstieg aus dem Pflegeberuf  

Auf Medwing wird erklärt, dass viele Pflegekräfte ihren Beruf aufgrund niedriger Gehälter, hoher Arbeitsbelastung und mangelnder Anerkennung verlassen. Häufige Nacht-, Feiertags- und Wochenenddienste sowie unzureichende Personalbesetzung verschärfen die Unzufriedenheit. 

Dennoch würde eine Umfrage zeigen, dass 36 Prozent der ehemaligen Pflegekräfte unter besseren Bedingungen zurückkehren würden. (Wanger, 2024)

SRF hebt hervor, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden müssen. Besonders die Löhne und die Finanzierung der Pensionskasse sollten angepasst werden. 


Die eigene Erfahrung von Larissa Graf


Ich habe inklusive Lehre sechs Jahre in der Pflege gearbeitet und musste aufgrund eines starken Burnouts den Beruf aufgeben.


Positive Aspekte und Herausforderungen

Trotz der Herausforderung ist die Pflege ein erfüllender Beruf. Die Dankbarkeit der Patienten:innen und die Möglichkeit Menschen zu helfen ist von grosser Bedeutung. 

Wie auch bei Elena zeigt sich der Personalmangel als eine der Herausforderungen in der Pflege. Die niedrige Bezahlung und die wenigen Urlaubstage gleichen die langen Arbeitstage nicht aus. Ich musste zum Beispiel Blutentnahmen durchführen, gleichzeitig E-Mails und Anrufe beantworten sowie bei drei verschiedenen Ärzt:innen assistieren. 


Erkenntnisse aus persönlicher Erfahrung

Es ist unmöglich sich auf mehrere Aufgaben gleichzeitig zu konzentrieren. Der tägliche Stress und die körperliche Belastung waren für mich nicht mehr tragbar.

Trotzdem bleibe ich überzeugt, dass die Arbeit von Pflegekräften sehr bedeutsam ist. Das Gefühl helfen zu können und die Dankbarkeit der Patient:innen bleibt eine wertvolle Erinnerung.


Schlussfolgerung und Ausblick 

Der Pflegeberuf ist sowohl psychisch als auch physisch sehr anstrengend. Ein zentrales Problem ist der akute Personalmangel, der die Arbeitsbelastung zusätzlich erhöht. Es ist dringend notwendig, den Beruf zu reformieren und attraktiver zu gestalten. Ohne die Pflegekräfte wären die Patient:innen und Bewohner:innen im Gesundheitssystem auf sich allein gestellt. Wer möchte schon auf Betreuung verzichten, wenn man selbst Patient:in ist?

Um den Pflegeberuf langfristig zu sichern, müssen die Arbeitsbedingung verbessert werden. Dazu gehören bessere Löhne, weniger Arbeitsbelastung, mehr Anerkennung und Wertschätzung. 

Die Gesellschaft muss den Pflegeberuf mehr würdigen und unterstützen. Nur so kann eine gute Versorgung der Patient:innen auch in Zukunft gewährleistet werden.

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