Cheerleading – Mehr als Pompons und kurze röcke
«Das sind doch die, die beim Football in der Halbzeit mit Pompons tanzen». Das ist wahrscheinlich die häufigste Antwort auf die Frage, was Cheerleading ist. Doch mittlerweile gilt es als olympisch anerkannte Sportart für alle Geschlechter, die weitaus mehr als nur Pausenunterhaltung zu bieten hat. Doch was genau ist Cheerleading?
PROJEKTINFOS
Als Randsportart ist Cheerleading von vielen Klischees umgeben und wird regelmässig unterschätzt. Cheerleading hat sich zu einer beeindruckenden Disziplin entwickelt. Trotz der offensichtlichen Anstrengung und Präzision, die Cheerleading erfordert, wird es oft als rein ästhetische Darbietung abgetan. Dieses Missverständnis führt dazu, dass die sportlichen Leistungen und der Teamgeist, die im Cheerleading stecken, oft unterschätzt werden. Mit dieser Arbeit wollte ich die Wahrnehmung vom Cheerleading zu korrigieren und die Klischees aus dem Weg räumen.
«Das sind doch die, die am Spielfeldrand stehen»
«Das sind doch die, die beim Football in der Halbzeit mit Pompons tanzen»
Das sind wahrscheinlich die häufigsten Antworten auf die Frage, was Cheerleading ist. Ganz falsch sind diese Antworten nicht, zumindest wenn vom Sideline-Cheer gesprochen wird. Doch Cheerleading ist viel mehr als Sideline und hat einiges mehr zu bieten als nur Pompons und kurze Röcke.
Cheerleading ist mittlerweile eine eigene Sportart für alle Geschlechter, die weitaus mehr als nur eine Pausenunterhaltung ist. Die Netflix Serie «Cheer» gab einen Einblick, wie Cheerleading auf Höchstniveau aussieht und wie viel Training und Schweiss dahinter steckt. Auch in der Schweiz erfreut sich der Nischensport an einer steigenden Beliebtheit. Mittlerweile gibt es gemäss «Cheer Up Schwiiz» 15 eigenständige Cheerleading-Vereine in der Schweiz, welche sich jährlich in diversen nationalen und internationalen Wettkämpfen messen. Doch was genau ist jetzt Cheerleading?


Kurz und knapp erklärt
Cheerleading ist ein Mix aus akrobatischen und turnerischen Elementen, die in einer Choreografie zu einer Routine zusammenkommen. Ergänzt wird das Ganze mit sogenannten Jumps und Tanzelementen. Als Stunts werden die akrobatischen Elemente bezeichnet, bei denen die Athlet:innen in die Luft gehoben oder geworfen werden. Für einen Groupstunt braucht es vier Personen, zwei Bases, einen Back und einen Flyer. Die Bases und der Back stehen unten und bilden das Fundament für den Flyer, damit dieser oben stabil stehen kann. Damit der Stunt steht, müssen alle Positionen ihre Aufgabe korrekt und präzise ausführen. Man kann aber auch als Two-Base oder im Partnerstunt auftreten. Wie der Name schon sagt, fällt im Two-Base der Back weg und es stehen nur noch zwei Athlet:innen unter dem Flyer. Nimmt man noch eine Base weg, ist es ein Partnerstunt. Das Stunting bildet den Hauptteil einer Routine und ist der Teil vom Cheerleading, der den Sport von Akrobatik und Bodenturnen unterscheidet. Es erfordert Teamarbeit, Vertrauen, Präzision und viel Übung.
Die Turnelemente werden als Tumbling bezeichnet und sind mit dem Kunstturnen zu vergleichen. Dazu gehören Darbietungen auf der Matte, von Saltos und Flickflacks bis hin zu Schrauben. Bei den Wettkämpfen wird die Routine anhand der Kreativität, Synchronität, dem Schwierigkeitsgrad der Stunts, Tumbling und der Ausstrahlung der Athlet:innen beurteilt. Abgesehen von einem Podestplatz wünscht sich das Team meistens ein Hit-Zero. Dieses Ziel wird erreicht, wenn alle Stunts gelingen und ohne Sturz ausgeführt werden. (Geschichte Cheerleading, o. J.).
Was heute als Klischee angesehen wird, war Ende des 19. Jahrhunderts noch Realität: Cheerleader waren dazu da, um Zuschauer zu mobilisieren und zu motivieren. Am Anfang war es sogar ein reiner Männersport. Erst in den 1920erJahren fingen auch Frauen an am Sport teilzunehmen und ab dann wurde es überwiegend weiblich. Mit der Zeit rückte die Athletik des Sports immer mehr in den Vordergrund. Die Routinen wurden komplizierter, die Stunts schwieriger und es kam mehr und anspruchsvolleres Tumbling dazu. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wandelte sich Cheerleading zu einer wettbewerbsorientierten Sportart, aus der die ersten Wettkämpfe hervorgingen. Die Teams begannen, gegeneinander anzutreten und ihr Können unter Beweis zu stellen. Cheerleading vereint heutzutage anspruchsvolle Stunts, Choreografien und Tumbling, wobei Teamarbeit und Showmanship weiterhin eine wichtige Rolle einnimmt. Seit 2021 ist Cheerleading im Internationalen Olympischen Komitee und gilt somit als eigene Sportart und ist nun definitiv international angekommen. (ICU History of The Sport of Cheer o. J.)


Schweiss, tränen und medaillen
Cheerleading zu betreiben heisst, Teil eines Teams zu sein. Man muss seine Teamkolleg:innen respektieren, um sich gegenseitig auch vertrauen zu können. Damit ein Stunt stabil steht, müssen alle ihren Teil dazu leisten. Vor allem der Flyer muss sich auf die Bases verlassen können. Daher gilt auch das oberste Gebot: «Der Flyer berührt nie den Boden». Dies dient natürlich auch dazu, Verletzungen vorzubeugen. Blaue Flecken, Zerrungen, Prellungen gehören trotzdem fast zur Tagesordnung. Und auch schlimmere Verletzungen, wie Knochenbrüche, gerissenen Bänder oder auch Hirnerschütterungen sind nicht unvermeidbar.
«Auf der Matte heisst es dann Show Time: Lächeln, alles mühelos aussehen lassen und Vollgas geben»


Was auf Videos und Bildern meistens sehr einfach aussieht, braucht viel Übung und unzählige Wiederholungen. Die Athlet:innen stehen zwei bis dreimal die Woche in der Halle und trainieren hart, um eine saubere Routine abzuliefern. Doch nicht nur körperlich, sondern auch mental wird einiges abverlangt. Die Coaches treffen Entscheidungen im Interesse des Teams, auch wenn manchmal persönliche Präferenzen nicht erfüllt werden. In solchen Situationen ist es besonders wichtig, dass jede:r ein:e Teamplayer:in ist und die Entscheidungen akzeptiert und damit umgehen kann.
Jedes Team durchlebt Höhen und Tiefen während einer Saison. Oft wird die Routine kurzfristig umgestellt, Skills werden angepasst oder Athlet:innen müssen ersetzt werden. Doch solche Entscheidungen gehören ebenfalls dazu und können das Team oft sogar noch enger zusammenschweissen.
Der Sport ist in der Schweiz noch sehr klein, dafür ist der Ehrgeiz wahrscheinlich umso grösser. In manchen Kategorien gibt es nur zwei oder drei Teams, was den Konkurrenzkampf natürlich intensiviert. Trotzdem ist die Cheerleading-Gemeinschaft sehr familiär. An den Schweizer Wettkämpfen kennt man viele Athlet:innen auch von anderen Teams und es ist selbstverständlich, dass man sich gegenseitig auch anfeuert und die Erfolge von anderen Teams feiert.
Auch im training ist das gegenseitige anfeuern ist selbstverständlich. Ein klassischer Motivationsspruch bei den Schweizer Cheerleader:innen ist «händ er» oder auf Deutsch «habt ihr». Zwei einfache Wörter, die man in jedem Training mehrfach hört. Eine weitere Methode ist der Team-Huddle, bei dem sich alle Athlet:innen zu einem engen Kreis versammeln und einen gemeinsamen Spruch rufen. Diese kleinen Gesten stärken den Zusammenhalt im Team enorm und zeigen, wie wichtig das Miteinander im Sport ist.
Faszination Cheerleading
Egal ob in einem Park, vor dem Restaurant oder am Flughafen, sobald Cheerleader:innen unterwegs sind, sind immer Personen in der Luft. Es ist quasi ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn Cheerleader:innen aufeinandertreffen, wird fast immer gestuntet. Allgemein ist die Community im Cheerleading-Sport einzigartig. Obwohl es ein Wettkampfsport ist, ist es ein sehr unterstützender und fairer Sport. Das Team ist für viele eine Art Familie und das Training bietet einen safe-space. Doch es ist auch eine Herausforderung: Im Team treffen sehr viele eigene und unterschiedliche Charaktere aufeinander und teilweise ist die Liebe zum Sport das Einzige, was man gemeinsam hat. Trotzdem wissen alle, es funktioniert nur, wenn dasselbe Ziel verfolgt wird.


Sowohl psychisch als auch physisch wird man an seine Grenzen kommen und trotzdem will man weitermachen und weiterkommen. Es ist besonders motivierend, die eigenen Fortschritte sowie die, des Teams zu sehen. Es fasziniert, zu beobachten, wozu der Körper fähig ist und wie weit man in kurzer Zeit kommen kann. Wenn ein Stunt noch nicht funktioniert, entsteht ein Ehrgeiz, der sich in pures Glücksgefühl wandelt, sobald der Stunt endlich gelingt. All diese Faktoren zusammen sind der Grund, wieso die Athlet:innen mit so viel Herzblut und Begeisterung hinter dem eigenen Sport stehen.
«Unabhängig von unseren Unterschieden sind wir alle aus demselben Grund hier, weil wir den Sport lieben»
Ade klischeE
Was als Pausenunterhaltung anfing, entwickelte sich zu einer beeindruckenden und eigenständigen Sportart. Es erfordert viel Arbeit, Zeit und Teamgeist. Immer noch wird Cheerleading oft unterschätzt, doch man sieht auch ein wachsendes Interesse und die Anerkennung für den Sport steigt. Rund um die Welt gibt es Wettkämpfe und Camps, bei denen die gemeinsame Liebe zum Sport gelebt und gezeigt werden kann.
Denn Cheerleading ist mehr als nur Pompons und kurze Röcke – es ist eine Passion, die Menschen zusammenbringt und sportliche Hochleistung zeigt.








